Das
Königreich Böhmen
In
dem Buch "Kleine Vaterlandskunde der Österreich-Ungarischen
Monarchie" von Johann Doiwa, 9. Auflage, 1918
wird Böhmen folgendermaßen beschrieben:
Böhmen ist das bedeutendste Kronland der österreichischen Reichshälfte.
Hinsichtlich der Größe ist es das zweite Land Österreichs
(520 qm²). Die Bevölkerungszahl beträgt nahezu 7 Millionen,
also fast ein Viertel der Volkszahl Österreichs.
Böhmen ist durch die Fruchtbarkeit seines Bodens ausgezeichnet. Nur
die höheren Teile der Randgebirge sind wenig fruchtbar. Das Innere
des Landes ist nur von niedrigen Bergen und Hügeln erfüllt und
daher für den Ackerbau sehr günstig. Welches sind die fruchtbarsten
Gegenden? Alle Getreidearten geben reiche Ernten. Der Zuckerrübenbau
im Elbetal, der Flachsbau im Berglande Nordböhmens, Hopfen, den man
besonders bei Saaz gewinnt, und Obst (besonders Pflaumen) sind der Stolz
der böhmischen Landwirtschaft. Der Weinbau beschränkt sich auf
die Gegend bei Melnik.
Böhmen ist reich an Bodenschätzen. Kohlen und Eisen sind in
unerschöpflicher Menge vorhanden. Die größten Steinkohlenbergwerke
sind in Pilsen und Kladno. In der Mulde zwischen dem Erzgebirge und dem
Böhmischen Mittelgebirge ist ein reiches Braunkohlenlager.(Teplitz,
Brüx ) Dieses Gebiet liefert mehr Kohle als alle anderen Reviere
der Monarchie zusammen und sendet große Mengen seiner Schätze
auch nach dem Deutschen Reiche. Das reichste Eisenerzlager ist die Gegend
von Prag und Pilsen im Beraumbecken. Weltberühmt sind die Heilquellen
von Karlsbad ( 18000 Einwohner, jährlich 60000 Kurgäste), Marienbad,
Franzenbad, Teplitz. Kaum lohnend ist der Silberbergbau in Joachimstal
im Erzgebirge und in Pribram. Nur ein Mineral fehlt dem Lande, nämlich
Salz.
Böhmen ist hervorragend durch seine großartige Industrie. Hochentwickelt
ist die Eisen- und Maschinenindustrie, deren Hauptsitz Prag und Pilsen
(82000 Einwohner ) sind.Quarz und Porzellanerde liefern die Stoffe zur
Glasindustrie in Nordböhmen ( Gablonz ) und zur Porzellanerzeugung
um Karlsbad. Die Graphitlager in Südböhmen werden bei der Bleistiftfabrikation
in Budweis (45000 Einwohner ) verwertet. Nordböhmen ist der Sitz
einer lebhaften Tuch- und Leinenwarenindustrie. Der Mittelpunkt der ersteren
ist Reichenberg (36000 Einwohner ), letztere in Rumburg. Um Eger (28000
Einwohner ) und in Asch ( 22000 Einwohner ) sind große Fabriken
für Webe- und Wirkwaren. Über zwei Drittel sämtlicher Zuckerfabriken
in Österreich kommen aus Böhmen und fast die Hälfte des
in Österreich gebrauten Bieres wird hier erzeugt. Berühmt ist
das Pilsener Bier, das in alle Weltteile verschickt wird.
Böhmen ist auch reich an landschaftlichen Schönheiten. Welche
sind schöne Gegenden ? Auch prächtige Adelsschlösser und
zahlreiche Burgen
( Karlstein ! ), wie auch altertümliche Städte hat das Land
aufzuweisen. Besonders hervorragend ist die prächtige Hauptstadt
Prag. Die breite, schiffbare Moldau teilt die Stadt in zwei ungleiche
Gebiete, die durch mehrere Brücken verbunden sind. Die berühmteste
und längste ist die Karlsbrücke. Am linken Ufer liegt der vornehmste
Stadtteil, die Kleinseite. Auf dem Hradschin erhebt sich die stolze Königsburg
und der mächtige. noch nicht ganz vollendete
St. Veitsdom. In der Altstadt, am rechten Moldauufer, stehen das geschichtlich
merkwürdige Rathaus mit einer kunstvollen Uhr und die schöne
Teinkirche. Prag hat eine sehr ausgebreitete Industrie und bedeutenden
Handel. Die zahlreichsten Fabriken bestehen in den neuen Stadtteilen.
Prag ist auch die zweitgrößte Stadt Österreichs und zählt
225000 Einwohner, mit den zu vereinigenden Gemeinden 450000 Einwohner,
ja, mit den weiteren Vororten bildet es einen Wohnplatz von 630000 Menschen.
Böhmen ist hervorragend durch seine tüchtigen, gebildeten Bewohner.
Zwei Volksstämme bewohnen dieses reich gesegnete Land, Deutsche und
Tschechen (4 Deutsche, 6 Tschechen). Erstere Wohnen am zahlreichsten an
den gebirgigen Rändern des Landes, letztere dagegen in der Mitte.
Die Deutschen widmen sich mehr der Industrie, die Tschechen vorherrschend
dem Ackerbau und der Viehzucht.
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