Dekret des Präsidenten der Republik vom 21. Juni 1945
über die Konfiskation und beschleunigte Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren, wie auch der Verräter und Feinde des tschechischen und des slowakischen Volkes.
Slg. Nr. 12.

Um dem Rufe der tschechischen und slowakischen Bauern und Landlosen nach einer konsequenten Verwirklichung einer neuen Bodenreform entgegenzukommen und geleitet vor allem von dem Streben, ein für allemal den tschechischen und slowakischen Boden aus den Händen der fremden deutschen und madjarischen Gutsbesitzer wie auch aus den Händen der Verräter der Republik zu nehmen und ihn in die Hände des tschechischen und slowakischen Bauerntums und der Landlosen zu geben, bestimme ich auf Vorschlag der Regierung:

§1
(1) Mit augenblicklicher Wirksamkeit und entschädigungslos wird für die Zwecke der Bodenreform das landwirtsdiaftlidie Vermögen enteignet, das im Eigentum steht:
a) aller Personen deutscher und madjarisdier Nationalität, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit,
b) der Verräter und Feinde der Republik, gleichgültig welcher Nationalität und Staatsangehörigkeit, die diese Feindschaft vor allem während der Krise und des Krieges in den Jahren 1938 bis 1945 bekundet haben,
c) von Aktien- und anderen Gesellschaften und Korporationen, deren Leitung vorsätzlich und planmäßig der deutschen Kriegführung oder faschistischen und nazistischen Zielen gedient hat.
(2) Personen deutscher und madjarischer Nationalität, die sich aktiv am Kampf für die Wahrung der Integrität und die Befreiung der Tschedsoslowakischen Republik beteiligt haben, wird das landwirtschaftliche Vermögen nach Absatz 1 nicht konfisziert.
(3) Darüber, ob eine Ausnahme nach Absatz 2 zulässig ist, entscheidet auf Antrag der zuständigen Bauernkommission der zuständige Bezirksnationalausschuß. Zweifelhafte Fälle legt der Bezirksnationalausschuß dem Landesnationalausschuß vor, der sie mit seinem Gutachten zur endgültigen Entscheidung an das Landwirtschaftsministerium weiterleitet, welches im Einvernehmen mit dem Innenministerium entscheidet.

§2
(1) Als Personen deutscher oder madjarischer Nationalität gelten Personen, die sich bei irgendeiner Volkszählung seit 1929 zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannten oder Mitglieder nationaler Gruppen, Formationen oder politischen Parteien, die sich aus Personen deutscher oder madjarischer Nationalität zusammensetzten.
(2) Ausnahmen von der Vorschrift des Absatzes 1 werden durch ein besonderes Dekret festgesetzt.

§3
(1) Als Verräter und Feinde der Tschechoslowakischen Republik sind zu betrachten:
a) Personen, die kollektiv oder individuell eine gegen die staatliche Souveränität, die Selbständigkeit, die Integrität, die demokratisch-republikanische Staatsform, die Sicherheit und Verteidigung der Tschechoslowakischen Republik gerichtete Tätigkeit entfaltet haben, die zu einer solchen Tätigkeit aufreizten oder andere Personen dazu zu verleiten suchten und planmäßig und aktiv auf irgendeine Art die deutschen und madjarischen Okkupanten unterstützt haben,
b) von den juristischen Personen diejenigen, deren Leitung planmäßig und aktiv der deutschen oder madjarischen Kriegführung oder den faschistischen und nazistischen Zielen diente.
(2) Darüber, ob eine physische oder juristische Person unter die Vorschriften des Absatzes 1, Buchst. a), b) fällt, entscheidet auf Antrag du zuständigen Bezirksnationalausschusses der Landesnationalaueschuß, in dessen Gebiet die betreffende Liegenschaft gelegen ist. Zweifelhafte Fälle legt der Landesnationalausschuß zur endgültigen Entscheidung dem Landwirtschaftsministerium vor, das im Einvernehmen mit dem Innenministerium entscheidet.

§4
Unter landwirtschaftlichem Vermögen (§1 Abs.1) ist zu verstehen: der land- und forstwirtschaftlich genutzte Boden, zu ihm gehörende Gebäude und Einrichtungen, die der eigenen land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsführung dienenden Betriebe, wie auch das bewegliche Zubehör (lebendes und totes Inventar) und alle Rechte, die mit dem Besitz des konfiszierten Vermögens und seiner Teile verbunden sind.

§5
(1) Ist das nach § 1 konfiszierte landwirtschaftliche Vermögen vermietet (verpachtet), erlöschen alle Miet- (Pacht-) verträge. Ist jedoch der Mieter (Pächter) eine Person, die einen Anspruch auf Zuteilung von Boden hat (§7 Abs.1), kann ihr die bisherige Nutzung bis zum Ende des Wirtschaftsjahres überlassen werden. Wird das vermietete (verpachtete) landwirtschaftliche Vermögen aus irgendwelchen Gründen nicht zugeteilt, so zahlt der Mieter (Pächter) den Mietzins (Pachtschilling) dem Nationalen Bodenfond (§6 Abs.1). Soweit von der Konfiskation physische oder juristische Personen betroffen sind, die nicht unter §3 fallen, gewährt ihnen der Nationale Bodenfond auf Antrag des Ortsnationalausschusses Ersatz für laufende Kosten und Investitionen.
(2) Patronatsrechte und -pflichten, die an den nach §1 konfiszierten landwirtschaftlichen Vermögenswerten haften, gehen mit dem Tage der Konfiskation unter. In besonders berücksichtigungswerten Fällen gewährt der Nationale Bodenfond eine Entschädigung.
(3) Die Frage der Schulden und Ansprüche, die an den konfiszierten Vermögenswerten (§1) haften, wird durch Regierungsverordnung geregelt. Löhne, Pensionen, Abgaben und andere laufende Ausgaben legt bis auf weiteres der nationale Verwalter aus.

§6
(1) Auf Grund von §1 konfisziertes landwirtschaftliche. Vermögen wird bis zur Übergabe an die Zuteilungsempfänger vom Nationalen Bodenfond beimLandwirtschaftsministerium verwaltet, der hiermit errichtet wird. Die Regierung wird ermächtigt, das Statut dieses Fonds zu erlassen.
(2) Zusammenhängende Waldflächen im Ausmaß über 50 ha, die nach §1 konfisziert sind, übernimmt der Staat. Falls die konfiszierten Waldflächen nicht mit dem staatlichen Waldboden zu einem zusammenhängenden Ganzen vereinigt werden können und falls sie 100 ha nicht übersteigen, übergibt sie der Nationale Bodenfond dem zuständigen Nationalausschuß.

§7
(1) Von dem durch den Nationalen Bodenfond verwalteten landwirtschaftlichen Vermögen ist Boden an Personen slawischer Nationalität als Eigentum zuzuteilen:
a) an Deputanten und landwirtschaftliche Arbeiter im Ausmaße bis zu 8 ha Ackerland, oder bis zu 12 ha landwirtschaftlichen Boden entsprechend seiner Bonität,
b) an Kleinlandwirte in einem Ausmaße, das ihnen das bisher in ihrem Eigentum stehende Grundeigentum höchstens auf 8 ha Ackerland oder bis zu 12 ha landwirtschaftlichem Boden entsprechend seiner Bonität ergänzt,
c) an vielköpfige Landwirtsfamilien in einem Ausmaße, daß ihnen das bisher in ihrem Eigentum stehende Grundvermögen
höchstens bis zu 10 ha Ackerland oder bis zu 13 ha landwirtschaftlichem Boden entsprechend seiner Bonität ergänzt,
d) an Gemeinden und Bezirke für öffentliche Zwecke,
e) an Bau-, Landwirtschafts. und andere Genossenschaften, welche aus den nach den Buchst. a), b), c) und f) berechtigten Bewerbern bestehen,
f) an Arbeiter, öffentliche und private Angestellte und Kleingewerbetreibende für den Bau von Eigenheimen oder für die Anlage von Gärten bis höchstens 0,5 ha.
(2) In Bezirken mit einer überwiegenden Bevölkerungsmehrheit deutscher Nationalität bleibt der Boden unter der Verwaltung des Nationalen Bodenfonds für die Erfordernisse der Innenkolonisation, wenn nicht genügend nach Abs. 1 Buchst. a) bis f) qualifizierte Bewerber tschechischer oder anderer slawischer Nationalität vorhanden sind.
(3) Waldboden bis zu 50, bzw. bis zu 100 ha (§6 Abs. 2) kann Gemeinden und Waldgenossenschaften zugeteilt werden. Dieser Boden unterliegt der Staatsaufsicht.
(4) Konfiszierte Gebäude, Einrichtungen, die der eigenen land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsführung dienen, Betriebe der landwirtschaftlichen Industrie, Parkanlagen, Denkwürdigkeiten, Archive u. ä. wie auch alle konfiszierten Liegenschaften können, sofern sie nicht öffentlich-rechtlichen Subjekten zugeteilt werden, als Eigentum zugeteilt werden:
a) an Genossenschaften, die von berechtigten Bewerbern zum Zwecke gemeinsamer Nutzung gebildet werden,
b) ausnahmsweise an die in Abs. 1 Buchst. a) bis c) angeführten einzelnen (Zuteilungsempfänger).
(5) Darüber, ob konfisziertes Vermögen Genossenschaften oder Einzelnen zugeteilt wird, ist nach §9 zu entscheiden.
(6) Ein Vorzugsrecht auf Zuteilung haben Personen, die sich im nationalen Befreiungskampf ausgezeichnet und verdient gemacht haben, insbesondere Soldaten und Partisanen, ehemalige politische Häftlinge und Deportierte und ihre Familienangehörigen und gesetzlichen Erben, wie auch durch den Krieg geschädigte Bauern. Das Vorzugsrecht ist gehörig nachzuweisen.

§8
Das gemäß §7 zugeteilte Vermögen darf nur mit vorhergehender Genehmigung des Nationalen Bodenfonds veräußert, verpachtet oder belastet werden.

§9
(1) Beim örtlichen Nationalausschuß, in dessen Bezirk sich konfisziertes Vermögen befindet, wählen die nach §7 Abs. 1 Buchst. a), b), c), d) und f) zuständigen Bewerber eine höchstens aus 10 Mitgliedern bestehende örtliche Bauernkommission.
(2) Vertreter der örtlichen Bauernkommissionen wählen auf einer Versammlung eine Bezirks-Bauernkommission beim Bezirksnationalausschuß, die höchstens 10 Mitglieder haben darf.
(3) Die örtliche Bauernkommission arbeitet einen Zuteilungsplan mit einem Entschädigungsantrag (§10) für das zugeteilte Vermögen aus und legt ihn der Bezirks-Bauernkommission zur Genehmigung vor.
(4) Die Bezirks-Bauernkommission prüft die vorgelegten Zuteilungspläne und Vergütungsanträge und arbeitet auf ihrer Grundlage einen Zuteilungsplan und Vergütungsentwurf für den ganzen Bezirk aus. Besteht zwischen den von den einzelnen örtlichen Bauernkommissionen vorgelegten Zuteilungsplänen und Vergütungsanträgen kein Widerspruch oder wird zwischen ihnen eine Übereinstimmung erreicht, so ist der Bezirks-Zuteilungsplan und -Vergütungsentwurf nach Genehmigung gemäß Abs. 5 rechtswirksam.
(5) Der Zuteilungsplan der Bezirks-Bauernkommission wird mit dem Vergütungsentwurf unverzüglich dem Landesnationalausschuß vorgelegt, der sie mit seinem Gutachten an das Landwirtschaftsministerium weiterleitet, das den Zuteilungsplan mit dem Vergütungsentwurf abändern kann, wenn wichtige öffentliche oder nationale Interessen bedroht oder die Vorschriften des §7 Absatz 1 Buchstaben a) bis f) nicht beachtet wurden. Soweit es sich um landwirtschaftliche Industriebetriebe handelt (§7 Abs. 4), trifft das Landwirtschaftsministerium, falls es um eine Zuteilung gemäß §7 Abs. 4 Buchst. b) geht, die entsprechende Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Ernährungsministerium.
(6) Kann die Bezirks-Bauernkommission die Widersprüche zwischen den Zuteilungeplänen und Vergütungsanträgen der örtlichen Bauernkommissionen nicht beilegen und kommt kein Kompromiß zustande oder entsteht zwischen den Bezirks-Bauernkommissionen benachbarter Gebiete Uneinigkeit, so legt die Bezirks-Bauernkommission die Angelegenheit dem Landesnationalausschuß vor, der sie mit seinem Gutachten an das Landwirtschaftsministerium zur endgültigen Entscheidung weiterleitet.
(7) Das Landwirtschaftsministerium und der Landesnationalausschuß entsenden zu den Bezirks-Bauernkommissionen Hilfsorgane, die bei den technischen Zuteilungsarbeiten Hilfe leisten.

§10
(1) Der Vergütungsantrag ist nach der Ertragsfähigkeit, der Lage, der Entfernung und dem Bebauungsstand (Düngung, Saat und Bepflanzung) und nach den Vermögens- und Familienverhältnissen des Zuteilungsempfängers festzusetzen, und zwar:
a) mindestens in der Höhe des Wertes einer Durchschnitts-Jahresernte auf dem beantragten Ausmaß des Bodens,
b) höchstens in der Höhe von zwei Durchschnitts-Jahresernten auf dem beantragten Ausmaß des Bodens,
c) die Vergütung für die zugeteilten Gebäude ist in Höhe von 1 bis 3 Jahresmieten der zugewiesenen Gebäude festzusetzen. Die Miete kann in jedem Falle in Naturalien ausgedrückt werden.
(2) Die Vergütung für das zugeteilte lebende oder tote Inventar und andere Einrichtungen ist nach den Richtlinien festzusetzen, die die Landesnationalausschüsse ausarbeiten und das Landwirtschaftsministerium genehmigt.

§11
(1) Die festgesetzte Vergütung wird abgezahlt:
1. auf einmal spätestens innerhalb von 12 Monaten seit der Besitzübernahme der Zuteilung in Geld oder in Naturalien, oder
2. in Geld. oder in Naturalienraten, und zwar:
a) 10 % der Vergütung für den Boden und für das Zubehör ist bei der Übernahme des zugeteilten Bodens zu zahlen. Auf Antrag der örtlichen Bauernkommission, der schon im Zuteilungsplan (§9) einzureichen ist, kann der Nationale Bodenfond den Aufschub der ersten Rate auf höchstens drei Jahre bewilligen;
b) die Restzahlung der Vergütung ist fällig nach einem Abzahlungsplan, der vom Nationalen Bodenfond ausgefertigt wird, spätestens innerhalb von 15 Jahren vom Tage der Übernahme des zugeteilten Eigentums.
(2) In besonders berücksichtigungswerten und sozial begründeten Fälle. kann der Nationale Bodenfond auf Antrag der Bauernkommission dem Zuteilungsempfänger die Vergütung erlassen und das betreffende landwirtschaftliche Vermögen vor allem Personen, die ein Vorzugsrecht auf Zuteilung (§7 Abs. 6) haben, unentgeldlidt zuteilen.

§12
Die Vergütung zahlen die Zuteilungsempfänger an den Nationalen Bodenfonds nach einem von ihm erlassenen Plan. Sie wird zur Abdeckung der Schulden und Verpflichtungen verwendet, die auf dem konfiszierten Vermögen ruhen, soweit diese Schulden und Verpflichtungen anerkannt und übernommen werden, weiterhin zum Ersatz der Kriegsschäden und der Schäden, die dem Vermögen von Personen, welche während der Zeit der Okkupation aus nationalen, politischen und rassischen Gründen verfolgt wurden, zugefügt wurden, zur Hebung der landwirtschaftlichen Produktion und für die Innenkolonisation. Eventuelle Überschüsse des Nationalen Bodenfonds fallen an die Staatskasse.

§ 13
(1) In der nach §10 festgesetzten Vergütung sind alle Ausgaben und Gebühren, die mit der Konfiskation (§1), der Zuteilung (§7) und der bücherlichen Übertragung des konfiszierten Vermögens verbunden sind, einbegriffen.
(2) Die Eintragung der Zuteilung in die Grundbücher besorgt der Nationale Bodenfond auf eigene Kosten.
(3) Die Vermögensübertragungen nach diesem Dekret sind von Gebühren und Abgaben befreit.

§14
Dieses Dekret tritt in den Ländern Böhmen und Mähren-Schlesien mit dem Tage der Verkündigung in Kraft; seine Durchführung obliegt den Ministern der Landwirtschaft, der Finanzen, der Justiz, des Inneren und für Ernährung.

Dr. Benesch

Fierlinger

Nosek, Dr Stransky
Dr. Srobar, Duris

Majer

(alle Unterschriften sind als „eigenhändig" gekennzeichnet).

Das Dekret wurde veröffentlicht am 23. Juni 1945.

In der Slowakei war die entsprechende Regelung durch die Verordnung des Präsidiums des Slowakischen Nationalrates vom 27. Februar 1945 (Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 4) getroffen worden; an ihre Stelle trat die Verordnung des Slowakischen Nationalrates vom 23. August 1945 (Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 104), deren Wortlaut im wesentlichen dem vorstehenden Dekret entspricht (abgeändert durch die Vo. des Slowakischem Nationalrates vom 14. Mai 1946, Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrats. Nr. 64, und vom 19. Dezember 1947, Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrates Nr. 89). Der vollständige Wortlaut dieser Verordnung wurde durch die Bekanntmachung vom 24. Dezember 1947 (Slg. d. Vo. des Slowakischen Nationalrats. Nr. 1/1948) veröffentlicht.

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