Dekret des
Präsidenten der Republik vom 20. Juli 1945
über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der
Deutschen, der Madjaren und anderer Staatsfeinde durch tschechische,
slowakische und andere slawische Landwirte.
Slg. Nr. 28.
Auf Vorschlag
der Regierung bestimme ich:
§
1
Das auf Grund des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 21.
Juni 1945, Slg. Nr. 12, über die Konfiskation und die beschleunigte
Aufteilung des landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, der Madjaren,
wie auch der Verräter und Feinde der tschechischen und der slowakischen
Nation, konfiszierte und dem Nationalen Bodenfonds gehörende landwirtschaftliche
Vermögen wird, soweit es nicht im Sinne des Konfiskationsdekretes
aufgeteilt wird, durch Zuteilung von Boden an berechtigte Bewerber (§2)
aus Bezirken, in denen ein Mangel an Boden besteht oder in denen für
die Landwirtschaft ungünstige Bedingungen herrschen, besiedelt.
§
2
(1) Um eine Bodenzuteilung im Rahmen der Besiedelung können staatlich
und national zuverlässige Angehörige der tschechischen, der
slowakischen oder einer anderen slawischen Nation ansuchen, und zwar:
a) Deputanten und landwirtschaftliche Arbeiter,
b) Landwirte mit einem bisherigen Ausmaß landwirtschaftlichen
Bodens bis zu 13 ha, sofern sie diesen Boden und die dazugehörigen
Baulichkeiten dem Nationalen Bodenfonds übereignen; über das
übrige Vermögen können sie frei verfügen;
c) die Familienmitglieder eines Landwirtes gemäß Buchst.
b), soweit sie praktische Landwirte sind und das Alter von 18 Jahren
erreicht haben;
d) landwirtschaftliche Produktivgenossenschaften, welche aus den unter
den Buchstaben a), b) oder c) angeführten berechtigten Antragstellern
bestehen;
e) Gemeinden, Bezirke und der Staat für öffentliche Zwecke;
f) andere als die unter Buchst. a) angeführten Arbeiter, öffentliche
und private Arbeitnehmer, Kleingewerbetreibende und sozial schwache
Angehörige freier Berufe für den Bau eines Eigenheimes oder
für die Anlage eines Gartens im Ausmaße bis zu 0,5 ha.
(2) Der gemäß Absatz 1 Buchst. b) dem Nationalen Bodenfonds
übereignete Boden wird nach den im Dekret des Präsidenten
der Republik, Slg. Nr. 12/1945, angeführten Bedingungen, gegebenenfalls
nach diesem Dekret aufgeteilt.
(3) Um eine Bodenzuteilung im Rahmen der Besiedelung können auch
Personen ansuchen, welche ihren Wohnsitz am Orte des konfiszierten Vermögens
haben, falls sie den in Absatz 1 angeführten Bedingungen entsprechen
und sich zur Durchführung einer etwaigen Zusammenlegung der Grundstücke
verpflichten.
§
3
Ein Vorzugsrecht auf Bodenzuteilung nach diesem Dekret haben die berechtigten
Bewerber, die sich im nationalen Befreiungskampf ausgezeichnet und verdient
gemacht haben, insbesondere Soldaten und Partisanen, ehemalige politische
Gefangene und Deportierte, ihre Familienangehörigen und gesetzlichen
Erben sowie auch durch den Krieg geschädigte Bauern. Die Voraussetzungen
des Vorzugsrechts auf Zuteilung sind ordnungsgemäß nachzuweisen.
§
4
(1) Die berechtigten Bewerber reichen bei der Ortsbauernkommission ein
Zuteilungsgesuch an die zuständige Bezirksbauernkommission ein.
(2) Die Bezirksbauernkommission überprüft die eingegangenen
Gesuche um Zuteilung von Siedlungsboden und leitet sie beschleunigt
an den Landesnationalausschuß weiter, der die Gesuche mit seinem
Gutachten unverzüglich dem Landwirtschaftsministerium vorlegt.
(3) Das Landwirtschaftsministerium erläßt im Rahmen der Vorschriften
des Dekretes des Präsidenten der Republik vom 17. Juli 1945, Slg.
Nr. 27, über das einheitliche Verfahren der Innenkolonisation,
einheitliche Richtlinien für die Besiedelung und teilt unter Berücksichtigung
der in dem Gesuch angeführten Umstände und unter Mitwirkung
der Bezirksbauernkommission sowie der zuständigen Bezirksnationalausschüsse,
den Erfordernissen und Möglichkeiten gemäß, den berechtigten
Bewerbern Boden zu im Ausmaße:
a) je nach Bonität bis zu 8 ha Ackerland oder bis zu 12 ha lanschaftlichen
Bodens;
b) kinderreichen Familien (mindestens 3 Kinder) je nach Bonität
bis zu 10 ha Ackerland oder bis zu 13 ha landwirtschaftlichen Bodens,
soweit möglich mit den dazu gehörenden Einrichtungen (Wirtschaftsgebäude,
lebendes und totes Inventar) und nach durchgeführter Zusammenlegung.
(4) Große Wirtschaftsgebäude, Maschinenanlagen und ähnliche
Einrichtungen sind überall dort, wo dies möglich ist, zum
Behufe einer zweckmäßigeren Verwertung den von den Zuteilungsempfängern
gebildet Genossensschaften als Eigentum zuzuteilen.
(5) Das Landwirtschaftsministerium und die Landesnationalausschuß
entsenden in die Bezirksbauernkommissionen Hilfsorgane, die bei den
technischen Zuteilungsarbeiten helfen.
§
5
(1) Der Zuteilungsempfänger ist verpflichtet, den Besitz an dem
Entscheidung über die Bodenzuteilung festgesetzten Tage zu übernehmen.
(2) Der zugeteilte Boden geht mit dem Tage der Übernahme des Besitzes
in das Eigentum des Zuteiluugsempfängers über. Der Zuteilungsempfänger
ist verpflichtet, den zugeteilten Boden selbst zu bewirtschaften. Er
darf ihn nur ausnahmsweise in besonders begründeten Fällen
und nur mit Zustimmung des Nationalen Bodenfonds veräußern,
verpachten oder in sonstige Nutzung geben. Der zugeteilte Boden darf
ohne Genehmigung des Nationalen Bodenfonds, der die Belastung nur in
besonders berücksichtigungswürdigen Fällen bewilligen
darf, nicht belastet werden.
§
6
In Gebieten, in denen die bisherige Art der landwirtschaftlichen Erzeugung
nicht rentabel ist und in denen die objektiven Gegebenheiten dringend
eine Umstellung der landwirtschaftlichen Erzeugung erfordern (Berggebiete
und ähnliche), bleibt der beschlagnahmte Boden bis zur Entscheidung
über die Umstellung der landwirtschaftlichen Erzeugung in dem betreffenden
Gebiet unter der Verwaltung des Nationalen Bodenfonds.
§
7
(1) Das landwirtschaftliche Vermögen wird zu Eigentum gegen eine
Vergütung zugeteilt, die nach dem Ertrag, der Lage, der Entfernung
und dem Zustande der Bearbeitung des Bodens, nach den Familienverhältnisaen
des Zuteilungsempfängers und in den in §2 Abs. 1 Buchst. b)
angeführten Fällen im Hinblick auf den Wert des überlassenen
Bodens festgesetzt wird, und zwar:
a) mindestens in Höhe des Wertes einer Jahres-Durchschnittsernte
des beantragten Bodenausmaßes,
b) höchstens in Höhe von zwei Jahres-Durdschnittsernten des
beantragten Bodenausmaßes.
(2) Der Wert des überlassenen Bodens (§2 Abs. 1 Buchst. b)
ist nach den in Absatz 1 angeführten Grundsätzen zu bestimmen.
(3) Die Vergütung für die zugeteilten Baulichkeiten ist in
Höhe des ein- bis dreijährigen Mietzinses der zugeteilten
Gebäude festzusetzen. Der Mietzins kann in jedem Falle in Naturalien
ausgedrückt werden. Die Vergütung für das zugeteilte
lebende und tote Inventar und für andere Einrichtungen ist nach
den Richtlinien festzusetzen, die von den Landesnationalausschüssen
ausgearbeitet und vom Landwirtschaftsministerium genehmigt werden.
(4) Erhält der Zuteilungsempfänger nicht gleichzeitig mit
dem zugeteilten Boden die erforderlichen Gebäude und Einrichtungen,
und hat er nachweisbar keine Möglichkeiten zu ihrer Beschaffung
aus eigenen Mitteln, kann ihm der Nationale Bodenfonds einen billigen
langfristigen Kredit gewähren.
(5) Der Nationale Bodenfonds kann einem Zuteilungsempfänger, der
gemäß §2 Abs. 1 Buchst. b) Boden abgetreten hat, die
Vergütung teilweise oder gänzlich erlassen.
§
8
(1) Die festgesetzte Vergütung (§7) zahlen die Bewerber nach
ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten ab, und zwar entweder
a) auf einmal in Geld oder in Naturalien oder spätestens innerhalb
von 12 Monaten seit der Übernahme des Besitzes an der Zuteilung,
b) in Raten, in Geld oder in Naturalien in der Weise, daß 10 %
der Vergütung bei der Übernahme des zugeteilten Bodens zu
zahlen sind. Auf Antrag des Bezirksnationalausschusses (der Bezirksverwaltungskommission)
kann der Nationale Bodenfonds auf Grund eines Gutachten der Ortsbauernkommission
einen Aufschub der ersten Rate auf längstens 3 Jahre bewilligen.
Der Restbetrag des Entgeltes ist auf Grund eines vom Nationalen Bodenfonds
aufgestellten Ratenplanes spätestens innerhalb von 15 Jahren zahlbar,
gerechnet vom Tage der Übernahme des Besitzes an dem zugeteilten
Vermögen.
(2) In besonders berücksichtigungswürdigen und sozial begründeten
Fällen kann der Nationale Bodenfonds nach Durchführung von
Erhebungen und Beteiligung der zuständigen Nationalausschüsse
und Bauernkommissionen einem Zuteilungsempfänger, vor allem den
in §3 angeführten Person, die Vergütung erlassen und
das betreffende landwirtschaftliche Vermögen unentgeltlich zuteilen.
§
9
Die von den Zuteilungsempfängern dem Nationalen Bodenfonds gezahlten
Vergütungen (§7) verwendet dieser Fonds dazu, die auf den
konfiszierten Vermögen lastenden Schulden und Verbindlichkeiten
zu bezahlen, soweit diese Schulden und Verbindlichkeiten vom Nationalen
Bodenfonds anerkannt und übernommen werden, weiterhin zur Milderung
der Kriegsschäden und der Schäden, die dem Vermögen der
in der Okkupationszeit aus national politischen oder rassischen Gründen
verfolgten Landwirte zugefügt wurden, zur Hebung der landwirtschaftlichen
Erzeugung und für die Innenkolonisation. Die Überschüsse
des Nationalen Bodenfonds fließen in die Staatskasse.
§
10
(1) Die gemäß §7 festgesetzte Vergütung umfaßt
alle Spesen und Gebühren, die mit der Konfiszierung und Zuteilung
des Bodens, weiterhin mit der Übereignung des eigenen Vermögens
an den Nationalen Bodenfonds, (§2, Abs. 1 Buchst. b), mit der Beförderung
der Zuteilungempfänger samt Familien und Inventar durch die Eisenbahn
an den Ort, an dem sich der zugeteilte Boden befindet, sowie auch mit
der grundbücherlichen Übertragung des zugeteilten Eigentums
und mit dem Austausch des übereigneten Vermögens verbunden
sind.
(2) Die zur Durchführung der Zuteilung und gegebenenfalls zur Übereignung
von Boden (§2, Abs. 1 Buchst. b) erforderlichen Eintragungen in
das Grundbuch besorgt der Nationale Bodenfonds.
(3) Die nach diesem Dekret durchgeführten Eigentumsübertragungen
und die einschlägigen Eingaben an die Gerichte und Behörden
sind von Stempeln, Gebühren, Steuern und Abgaben befreit.
§
11
Die Regierung wird ermächtigt, die finanziellen Mittel zur Durchführung
der Innenkolonisation bereitzustellen.
§
12
Dieses Dekret tritt in den böhmischien Ländern am Tage seiner
Kundmachung [also 1946-07-26] in Kraft. Es wird vom Landwirtschaftsminister
im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Innenminister, dem Justizminister
sowie den Ministern für Verkehr und für Ernährung durchgeführt.
Dr. Benesch
Fierlinger
Nosek
, Dr. Srobar , Dr. Stransky., Duris , General Hasal, Majer
(alle Unterzeichner eigenhändig)
Veröffentlicht
am 26. Juli 1945.