Auf Vorschlag
der Regierung bestimme ich:
§
1
(1) Zur Beseitigung und Wiedergutmachung der durch den Krieg und die
Luftangriffe verursachten Schäden, wie auch zur Wiederherstellung
des durch den Krieg zerrütteten Wirtschaftslebens wird eine Arbeitspflicht
der Personen eingeführt, die nach dem Verfassungsdekret des Präsidenten
der Republik vom 2. August 1945, Slg. Nr. 33, über die Regelung
der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen deutscher
und madjarischer Nationalität die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft
verloren haben. Die Arbeitspflicht erstreckt sich auch auf Personen
tschechischer, slowakischer oder einer anderen slawischen Nationalität,
die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik um die
Erteilung der deutschen oder der madjarischen Staatsangehörigkeit
beworben haben, ohne dazu durch Zwang oder besondere Umstände gezwungen
zu sein (§ 5 des genannten Verfassungsdekretes)
(2) Der
Arbeitspflicht nach diesem Dekret unterliegen nicht Personen, auf die
sich das Verfassungsdekret Slg. Nr. 33/1945 nach seinem §1 Abs.
3 und 4 nicht erstreckt, weiterhin nicht Personen, die bis zu einer
späteren Entscheidung kraft Gesetzes als tschechoslowakisdie Staatsbürger
zu betrachten sind (§2 Abs. 3 und §4 Abs. 2 des Verfassungsdekretes)
und schließlich nicht Personen, denen eine Bescheinigung gemäß
§2 Abs. 2 des Verfassungdekretes ausgestellt worden ist.
(3) Besondere,
im Einvernehmen mit dem Ministerium für auswärtige Angelegenheiten
vom Ministerium des Innern erlassene Richtlinien bestimmen, ob und in
welchem Umfange der Arbeitspflicht nach diesem Dekret auch Personen
deutscher oder madjarisdier Nationalität unterliegen, auf die sich
das Verfassungsdekret Slg. Nr. 33/1945 nicht erstreckt.
§
2
(1) Der Arbeitspflicht unterliegen Männer vom vollendeten 14. bis
zum vollendeten 60. Lebensjahr und Frauen vom vollendeten 15. bis zum
vollendeten 50. Lebensjahrs.
(2) Von
der Arbeitspflicht sind befreit:
a) körperlich oder geistig untaugliche Personen, solange dieser
Zustand dauert,
b) schwangere Frauen, vom Beginn des vierten Monates der Schwangerschaft
an,
c) Wöchnerinnen für die Zeit von sechs Wochen nach der Niederkunft
und
d) Frauen, die für Kinder unter sechs Jahren zu sorgen haben.
(3) Die
in Absatz 2. Buchst. a) bis c) angeführten Umstände stellt
der Amtsarzt fest. Den in Absatz 2. Buchst. d) angeführten Umstand
bestätigt der Ortsnationalausschuß (die örtliche Verwaltungskommission)
§
3
(1) Die der Arbeitspflicht unterliegenden und die von ihr nach §
2 Abs. 2 befreiten Personen sind verpflichtet, sich auf Grund einer
öffentlichen oder einer persönlichen Aufforderung innerhalb
der festgesetzten Frist persönlich bei dem nach dem Orte ihres
Wohnsitzes (Aufenthaltes) zuständigen Ortsnationalaussclrnß
(der örtlichen Verwaltungskommission) zu melden und alle erforderlichen
Belege vorzulegen, wie auch die notwendigen Auskünfte zu geben.
Soweit dies möglich ist, machen sie innerhalb derselben Frist gegebenenfalls
auch die Befreiung von der Arbeitspflicht gemäß § 2
Abs. 2 geltend.
(2) Der
Bezirksnationalausschuß (die Bezirksverwaltungskommission) teilt
dann die Personen, welche der Arbeitspflicht unterliegen, zur Arbeit
zu und stellt gegebenenfalls Arbeitskolonnen zusammen. Die Entscheidung
über die Zuteilung zur Arbeit ist endgültig.
§
4
(1) Eine Person, die zur Arbeit zugeteilt wurde, ist verpflichtet, der
ergangenen Zuteilungsanordnung Folge zu leisten, und zwar auch dann,
wenn sie der Auffassung ist, daß sie von der Arbeitspflicht gemäß
§ 2 Abs. 2 befreit ist, solange über ihren Antrag auf Befreiung
nicht amtlich entschieden wurde.
(2) Über
die Befreiung von der Arbeitspflicht entscheidet der Bezirksnationalausschuß
(die Bezirksverwaltungskommission) auf Antrag des Ortsnationalausschzusses
(der örtlichen Verwaltungskommission), und zwar endgültig.
§
5
Die Arbeitspflicht erstreckt sich auf die Ausführung von Arbeiten
aller Art, die zu den § 1 Abs. 1 angegebenen Zwecken geleistet
werden und die der zuständige Bezirksnationalausschuß (die
Bezirksverwaltungskommission) als im öffentlichen Interesse geleistete
Arbeit anerkennt.
§
6
(1) Den der Arbeitspflicht unterliegenden Personen steht für die
ausgeführte Arbeit ein Entgelt zu, das der Bezirksnationalausschuß
(die Bezirksverwaltungskomission) nach den örtlichen Verhältnissen
festsetzt.
(2) Der Bezirksnationalausschuß (die Bezirksverwaltungskommission)
kann den die Arbeitspflicht leistenden Personen, welche verpflichtet
sind, ihren Familienangehörigen Unterhalt zu gewähren, auf
Ansuchen eine angemessene Beihilfe zum Unterhalt der Familie bewilligen,
soweit das Entgelt gemäß Absatz 1 dazu nicht ausreicht. Die
Höhe der Beihilfe setzt der Bezirksnationalausschuß (die
Bezirksverwaltungskommission) nach den örtlichen Verhältnissen
fest.
(3) Über die Zuteilung von Lebensmittelkarten für schwer und
sehr schwer arbeitende Personen gelten die besonderen Richtlinien des
Ernährungsministeriums.
§
7
Die Bezirksnationalausschüsse (Bezirksverwaltungskommissionen)
üben ihre Befugnisse gemäß §3, 4, 5 und 6 im Einvernehmen
mit den zuständigen Bezirksämtern für Arbeitsschutz aus.
§
8
(1) Die zur Arbeit zugeteilten Personen sind verpflichtet, die ihnen
auferlegte Arbeit ordentlich und gewissenhaft zu verrichten und alles
zu unterlassen, was das Erreichen des Zwecks in dem betreffenden Arbeitsbereich
erschweren oder gefährden könnte. Sie sind gehalten, die ihnen
auferlegte Arbeiten an jedem beliebigen Ort zu leisten, und sind verpflichtet,
auch Arbeit zu verrichten, die nicht zu ihrer normalen Beschäftigung
gehören.
(2) Die
der Arbeitspflicht unterliegenden Personen sind wegen geringfügigerer
Verletzungen der Bestimmungen des Absatzes 1 und der aus der Arbeitspflicht
sich ergebenden Obliegenheiten der Disziplinargewalt der Bezirksnationalausschüsse
(Bezirksverwaltungskommissionen) nach der Diszplinarordnung, die das
Ministerium des Innern erläßt, unterworfen.
(3) Die
Ausübung der Disziplinargewalt gegenüber Frauen und Personen
männlichen Geschlechts unter 18 Jahren, hat unter Berücksichtigung
ihres Geschlechtes und Alters zu erfolgen.
§
9
(1) Übertretungen der Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 und
des 4 Abs. 1 bestrafen die Bezirksnationalausschüsse (die Bezirksverwaltungskommissionen)
mit Gefängnis bis zu einem Jahr.
(2) In
gleicher Weise werden Übertretungen der Bestimmungen des §
8 Abs. 1 bestraft, sofern nicht mit Rücksicht auf die geringere
Bedeutung des Vergehens gegen den Schuldigen disziplinarisch vorgegangen
wird (§ 8 Abs. 2).
§
10
Die Gerichte, öffentlichen Ämter und Organe sind verpflichtet,
bei der Durchführung dieses Dekretes mitzuwirken.
§
11
Dieses Dekret tritt mit dem Tag der Kundgebung in Kraft und gilt nur
in den Ländern Böhmen und Mähren-Schlesien; es wird vom
Minister des Innern im Einvernehmen mit den beteiligten Ministern durchgeführt.
Dr. Beneš
e.h.
Fierlinger e.h.
Nosek e.h.
Veröffentlicht
am 27. September 1945