Das Gesetz vom 30. Jänner 1920 (Gemeinde-Gedenkbücher)

Das Gesetz vom 30. Jänner 1920 (Gemeinde-Gedenkbücher)

Slg. Nr. 80, kundgemacht am 17. Feber 1920

  1. Jede politische Gemeinde ist verpflichtet, ein Gemeinde-Gedenkbuch anzulegen und zu führen.
  2. Zur Anlegung und Führung des Gemeinde-Gedenkbuches ist in jeder Gemeinde ein Ausschuß einzusetzen. Die Eintragungen besorgt ein von der Gemeindevertretung zu bestellender Chronist gegen angemessene Entlohnung.
  3. Die Durchführung des Gesetzes obliegt dem Minister für Schulwesen und Volkskultur und dem Minister des Innern.
  4. Das Gesetz tritt mit dem Tage der Kundmachung in Kraft.

Die Durchführungsverordnung vom 9. Juli 1921

(Slg. Nr. 211, kundgemacht am 14. Juni 1921)

Auf Grund des Gesetzes vom 30.Jänner 1920, Slg. Nr. 80, wird verordnet:

  1. Jede politische Gemeinde ist verpflichtet, auf ihre Kosten ein Gemeinde-Gedenkbuch anzulegen, und zwar wenn sie es noch nicht besitzt, spätestens bis Ende 1922. Von dieser Verpflichtung ist die Gemeinde nur dann befreit, wenn daselbst bereits ein Gemeinde-Gedenkbuch geführt wird und dir Gewähr besteht, dass es diesem Zwecke auch weiterhin nach der Vorschrift dieser Verordnung, namentlich unter Aufsicht des Ortsgeschichtsausschußes (§ 7) dienen werde. Innerhalb der Grenzen der geltenden Gemeindeordnung können sich zwei oder mehrere Gemeinden desselben politischen Bezirkes mit Zustimmung der nach der Gemeindeverordnung vorgesetzten Behörden zur Führung eines gemeinsamen Gemeinde-Gedenkbuches vereinigen. Das Gemeinde-Gedenkbuch darf von der Gemeinde nicht veräußert werden und muss auf dem
    Titelblatt und auf jeder zehnten Seite mit dem Gemeindesiegel versehen sein.
    Die Blätter müssen in das Buch fest eingeheftet und nummeriert sein und ihre Anzahl muss auf dem Titelblatt durch den Gemeinderat bestätigt werden.
  2. Das Gemeinde-Gedenkbuch hat den Zweck, die Ortsgeschichte zur Belehrung der künftigen Geschlechter festzuhalten.
  3. Der Chronist (Gedenkbuchführer) hat zu Beginn der Eintragungen seinen Namen und Beruf einzutragen. In der Einleitung zu den Denkwürdigkeiten entwirft er ein geographischer Bild der Gemeinde ( des Lageplan), sodann vermerkt er in der zeitlichen Aufeinanderfolge die denkwürdigen örtlichen Zeitereignisse, die ein getreues Bild von den wirtschaftlichen, Bevölkerungs-, sozialen, öffentlich-gesundheitlichen, kulturellen, ethnographischen und religiösen Zustände der Gemeinde bieten.
    Ereignisse, die sich auf den Bezirk, den Gau, das Land oder den Staat beziehen, sind nur insoweit zu vermerken, als sie mit dem Leben in der Gemeinde wesentlich zusammenhängen.
    In dem Gemeinde-Gedenkbuch ist auch zu vermerken, welchen Widerhall in der Gemeinde die großen geschichtlichen Ereignisse, z.B. der Weltkrieg, die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik, gefunden haben.
    Der Gedenkbuchführer hat sich in der Regel den Stoff für das Gemeinde-Gedenkbuch in ein Handbuch vorzumerken und nach einiger Zeit, bis sich die Ansichten über das Ereignis geklärt haben, die Eintragungen in das Gemeinde-Gedenkbuch vorzunehmen, wobei er nur wesentliche Sachen auszuwählen hat. Die öffentlichen Behörden und Anstalten sind verpflichtet, den Gedenkbuchführer in dieser Tätigkeit zu unterstützen, ihm über Ersuchen amtliche Angaben mitzuteilen und Auskünfte zu erteilen, soweit dies für die Zwecke des Gemeinde-Gedenkbuches erforderlich ist und den geltenden Vorschriften oder den öffentlichen Interessen nicht widerspricht. Wenn der Gedenkbuchführer Angaben oder Auskünfte von örtlichen Vereinen, Verwaltungen von Großgrundbesitzen, Industrieunternehmungen und dgl. benötigt und sie nicht selbst erlangt, ist es Sache der politischen Gemeinde, im gütlichen Wege einzuschreiten, gegebenenfalls die vorgesetzte politische Behörde um Vermittlung zu ersuchen.
  4. Mit der Aufgabe des Gedenkbuchführers hat die Gemeindevertretung des Geschäftsführer des Ortsbildungsausschusses, einen Lehrer, Archivverwalter u. a., stets jedoch eine Person zu betrauen, die für ihre ernste Aufgabe Verständnis hat, ihre Mission gewissenhaft erfüllen will, hierfür die Fähigkeiten, die Kenntnis der Ortsverhältnisse und insbesondere den Sinn für Wahrheit besitzt. In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern ist mit der Aufgabe des Gedenkbuchführers ein Fachmann des Archiv, oder Musealwesens oder ein qualifizierter Gemeindebeamter, insbesondere der Bücherwart zu betrauen. In solchen Gemeinden hat der Gedenkbuchführer dafür zu sorgen, dass der gesamte, die Geschichte der Gemeinde betreffende Stoff planmäßig gesammelt werde. Er hinterlegt in das Ortsarchiv die amtlichen Kundmachungen, vollständige Jahrgänge der Zeitungen der Gegend, Monographien u. dgl.
  5. Der Gedenkbuchführer ist verpflichtet, die Ereignisse wahr und getreu unter Aufsicht des Ortsgeschichtsausschusses ( § 7) einzutragen. Er hat Anspruch auf eine Entlohnung, die von der Gemeindevertretung nach der Größe der Gemeinde und der Bevölkerungszahl bestimmt wird.
  6. Der Gedenkbuchführer hat das Gemeinde-Gedenkbuch in ein festes und dauerhaftes Futteral einzulegen und es in einem verschlossenen Schranke an einem sicheren und trockenen Orte, in den Dörfern in der Regel in der Schule, in den Städten im Rathause, in den Städten, die ein sachliches Archiv besitzen, im Stadtarchiv aufzubewahren. Es nach hause zu leihen, ist nicht erlaubt. Das vollgeschriebene Gemeinde-Gedenkbuch ist im Ortmuseum, Archiv oder in der Gemeindebücherei gesichert zu hinterlegen.
  7. Der Ortsgeschichtsausschuß ( § 2 des Gesetzes) besteht aus dem Gemeindevorsteher und aus zwei, im falle des letzten Absatzes dieses Abschnittes aus drei, von der Gemeindevertretung hierzu bestimmten Bürgern. Der Ausschuss ist verpflichtet, die Ausstattung des Gemeinde-Gedenkbuches und die Eintragungen in demselben zu überwachen, in zweifelhaften Fällen die Eintragungen zu bestimmen oder eine Ergänzung der Eintragung in sachlicher Beziehung anzuordnen. Erhebt der Gedenkbuchführer gegen die Weisung des Ausschusses Einwendungen, so entscheidet endgültig die Gemeindevertretung.
    Am Schlusse eines jeden Jahres erstattet der Ausschuss der Gemeindevertretung einen Bericht über die des Gemeinde-Gedenkbuches. Findet des Ausschuss, dass der Gedenkbuchführer seine Verpflichtungen trotz vorheriger Ermahnung seitens des Ausschusses nicht nachgekommen ist, so ist die Gemeindevertretung verpflichtet, den Gedenkbuchführer von seiner Aufgabe zu entheben und einen neuen zu bestellen. Jede Nation, deren Angehörige nach der letzten Volkszählung in der Gemeinde wenigstens 20 von Hundert der Bevölkerung betragen, hat den Anspruch auf Vertretung im Ortsgeschichtsausschusse durch einen weiteren Bürger, und zwar ihres Volkes, und hat das Recht, zu verlangen, dass im Gemeinde-Gedenkbuche in angemessener Weise auf ihr Leben Rücksicht genommen werde.
  8. Das Recht der Einsichtsnahme in das Gemeinde-Gedenkbuch steht nur den
    Mitgliedern des Ortsgeschichtsausschusses zu.
    Anderen Personen kann die Einsichtsnahme vom Gemeinderate nach vorheriger Anhörung des Gemeindebuchführers bewilligt werden. Wird diese Bewilligung verweigert, so kann sie von der vorgesetzten politischen Behörde erteilt werden, sofern es sich um eine Einsichtnahme in das Gemeinde-Gedenkbuch zu Studienzwecken handelt. In beiden Fällen hat die Einsichtnahme unter Aufsicht des Gedenkbuchführers zu erfolgen, der hierüber einen besonderen Vermerk führt.
  9. Das Gemeinde-Gedenkbuch hat wenigstens einmal in drei Jahren durch vierzehn aufeinander folgenden Tage in einem Amtraume allgemein zugänglich zu sein. Dieser Umstand ist öffentlich kundzumachen.
    Binnen acht Tagen nach Ablauf der im Abs. 1 angeführten Frist hat jeder Bürger das Recht, eine sachliche Ergänzung für das Gemeinde-Gedenkbuch zu beantragen. Ueber den Antrag entscheidet endgültig die Gemeindevertretung.
  10. Die Aufsicht über die Durchführung des Gesetzes obliegt der vorgesetzten politischen Behörde, bei der ein besonderes Verzeichnis über die Gemeinde-Gedenkbücher zu führen ist. Bis zu einer anderweitigen Regelung obliegt in den Gemeinden außerhalb des Sitzes dieser Behörde dem Bezirksschulinspektor die Verpflichtung, sich bei jeder Schulinspektion in geeigneter Weise davon zu überzeugen, ob in der Gemeinde das Gemeinde-Gedenkbuch ordentlich geführt wird. Zur Ueberprüfung der Eintragungen ist er nicht verpflichtet. Nimmt er Mängel wahr, die nicht im kurzen Wege beseitig werden können, so hat er sie der Zuständigen politischen Behörde anzuzeigen, welche Abhilfe veranlasst. Die Vornahme der Ueberprüfung ist im Verzeichnis vorzumerken. Konnte während dreier aufeinander folgender Jahre keine Ueberprüfung vorgenommen werden, sei es, weil sich in dem Orte überhaupt keine Schule befindet oder weil in dem Orte keine Schulinspektionen stattgefunden haben, so ist mit der Ueberprüfung und Berichtserstattung in demselben Umfange, wie sie dem Bezirkschulinspektor obliegt, eine andere vertrauungswürdige Person in derselben oder in einer Nachbargemeinde zu betrauen. Dieses Amt ist ein Ehrenamt.
  11. Diese Verordnung tritt mit Ausschluss des Gebietes der Slowakei und Karpathenrußlands mit dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit; sie wird vom Minister für Schulwesen und Volkskultur im Einvernehmen mit dem Minister des Innern durchgeführt.

Für die Slowakei und Karpathenrußland wird eine besondere Verordnung erlassen werden.


 
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