Nähere Erläuterungen

des Landesverwaltungsausschusses Prag vom 17. Oktober 1921, Zahl 122.136/11,
über das Gesetz vom 30. Jänner 1920

zur Führung von Gemeinde-Gedenkbüchern.

Mit dem Gesetze vom 30. Jänner 1920, Nr. 80 S.d.B.u.V., ist den Ortsgemeinden die Verpflichtung auferlegt worden, auf ihre Kosten ein Gemeinde-Gedenkbuch anzulegen und zu führen.

Die Intention des Gesetzgebers war die altertümliche Einrichtung der heutzutage meistens vernachlässigten Ortschroniken, denen wir zu danken haben, dass die Vergangenheit nach verschiedenen interessanten Seiten uns bewahrt worden ist, neuerdings ins Leben zu rufen. Dank dem in den Ortschroniken angesammelten Materiale ist der später entstandenen Historiographie ermöglicht worden, durch die vervollkommnte Forschungsmethode ein kulturelles und volkswirtschaftliches Gesamtbild der vergangenen Zeiten zu rekonstruieren.
Um eben für die Zukunft ein sozusagen lebendiges Gedenkbuch nach verschiedenen Seiten hin ununterbrochen systematisch und womöglich fachmännisch dargestellt werde, hat das obzitierte Gesetz die Anlegung und Führung des Gedenkbuches für jede Ortsgemeinde als verbindlich erklärt. Für den Fall, das diese Aufgabe über die Kräfte einer Gemeinde hinausgehen sollte, stellt das Gesetz auch mehreren Gemeinden die Möglichkeit anheim, sich zur Besorgung dieser Aufgabe unter der Voraussetzung des § 93 G.-O. zu verbinden.

Im Anbetracht dessen, dass durch die Ortschroniken das gegenwärtige Leben der gemeinde in zutreffender Art und Weise für die Nachwelt erhalten werden soll, ist schon der äußeren Ausstattung des Gedenkbuches die entsprechende Sorgfalt zu widmen, dass es ihm an würdigen Abglanz der zeit der Anlegung nicht mangele. Es ist allerdings wegen der allzu großen Verschiedenheit der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht gut möglich, bestimmte verbindliche Richtlinien festzusetzen, es muss jedoch an die nunmehrigen Gemeindevertreter appelliert und ihnen nahe gelegt werden, bei der Anlegung und Führung des Gedenkbuches immer eingedenk zu sein, dass sie durch die Art und Weise, wie sie ihre Aufgabe obliegen werden, der Gegenwart, gewissermaßen auch sich selbst ein Zeugnis ausstellen. Es wird sich daher empfehlen, das Buch äußerlich so auszustatten, dass es als ein wertvolles Dokument der auserwählten zeitgemäßen Kunstbestrebung angesehen werden Kann. Zur Entwerfung der äußerlichen Ausstattung des Buches sind möglich einheimische Künstlerkräfte beizuziehen. Das Buch ist aus dem dauerhaftesten Material zu verfertigen, damit es dem Zahn der Zeit sicher widerstrebt. Bei der inneren Ausstattung des Buches ist besonderes Gewicht auf eine harmonische Anlage zu legen, wobei es, um den Inhalt recht abwechslungsreich zu gestalten, nicht unstatthaft wäre, das Buch mit Zeichnungen, Skizzen, Photographien und dergleichen auszufüllen, insoweit hierdurch der Inhalt näher illustriert wird. Es wäre aber zweckdienlich, bei der Auslese und bei der Auswahl der mit dieser Aufgabe beauftragten Personen die höchste Sorgfalt zu beobachten. Besonders wird durch die künstlerische Durchführung des Titelblattes eventuell der Initialen das äußerliche Aussehen des Buches erhöht.

Bei eventueller innerer Ausschmückung sind allerdings immer einheimische Personen zu bevorzugen, desgleichen auch der im Orte entstandene oder eingelegte Kunststil der Gegenwart.

Was den Inhalt der Eintragungen betrifft, ist der Grundsatz “ nicht vieles aber viel“ zu beachten. Es sind also nur wesentliche Sachen in zeitlicher Aufeinanderfolge einzutragen. Da es wünschenswert ist, die Eintragungen erst nach einiger Zeit vorzunehmen, bis die Ansichten über die Ereignisse schon geklärt sind, liegt den Chronisten ob, den Stoff zuerst in ein Handbuch vorzumerken. Den öffentlichen Instituten und Behörden ist die Verpflichtung auferlegt worden, über Ersuchen dem Chronisten amtliche Daten mitzuteilen und Informationen zu erteilen, soweit dies für die Zwecke der Gemeindegedenkbuches erforderlich ist und den geltenden Vorschriften oder den öffentlichen Interesse nicht widerspricht. Wenn Daten und Informationen von Privatpersonen benötigt werden, von denen der Chronist selbst dieselben nicht erlangen kann, wird es der Ortsgemeinde obliegen, entsprechend einzuschreiten, eventuell die übergeordnete politische Behörde um Vermittlung zu ersuchen. Im Gedenkbuch ist auch das Leben jener Nationalität, deren Angehörige nach der letzten Volkszählung wenigstens 20 % der Bevölkerung betragen, zu berücksichtigen. Genannte Minorität hat auch Anspruch auf Vertretung in dem unten erwähnten Ortgeschichtsausschusse.

Das Gedenkbuch ist spätestens bis Ende 1922 anzulegen. Von dieser Verpflichtung ist die Gemeinde nur dann befreit, wann dort ein Gemeindegedenkbuch bereits geführt und die Gewähr geboten ist, dass es diesem Zwecke auch weiterhin nach dem geltenden Vorschriften, besonders unter der Aufsicht des Ortgeschichtsausschusses, dienen wird. Das Gemeindegedenkbuch darf nicht veräußert, nicht einmal nach Hause geliehen werden, ist einem festen und dauerhaften Futterale eingelegt, an einem sicheren und trockenen Orte, in Dörfern in der Regel in der Schule, in Städten im Rathause, in Städten die ein fachlich geleitetes Archiv besitzen, im Stadtarchiv aufzubewahren. Wenn voll geschrieben, ist es im Ortsmuseum, Archiv oder in der Gemeindebücherei gesichert zu hinterlegen.

Das Titelblatt ist mit dem Gemeindesiegel zu versehen, desgleichen auch jede zehnte Seite. Die Blätter müssen fest eingeheftet, nummeriert und ihre Anzahl auf dem Titelblatt durch den Gemeindesiegel bestätigt werden.

Den Chronisten bestellt die Gemeindevertretung gegen eine nach der Größe der Gemeinde und der Einwohnerzahl zu bestimmende Belohnung und betraut mit dieser Aufgabe den Geschäftsführer des Ortbildungsausschusses, den Lehrer, den Archivverwalter oder eine andere, stets jedoch eine befähigte, gewissenhafte Person, die Kenntnis der Gemeindeverhältnisse, insbesondere den Sinn für Wahrheit besitzt. In den Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern ist mit dieser Aufgabe ein Fachmann des Archiv oder Musealwesens oder ein qualifizierter Gemeindebeamter, insbesondere der Bücherwart zu betrauen. In diesen Gemeinden hat der Chronist noch die weitere Pflicht, den gesamten, die Geschichte der Gemeinde betreffenden Stoff systematisch zu sammeln und zu diesem Zwecke in das Ortsarchiv alle amtliche Kundmachungen, vollständigen Jahrgänge der Zeitungen, Monographien und dergleichen zu hinterlegen.

Die Tätigkeit des Chronisten wird von einem Ortgeschichtsausschuss überwacht, der aus dem Gemeindevorsteher, dann zwei, beziehungsweise drei Bürgern (das dritte Mitglied ist immer aus der in der Gemeinde bestehenden, 20 % der Einwohner nach letzter Volkszählung betragenden Nationalminorität zu entnehmen) besteht.

Der genannte Ausschuss hat die Eintragungen und die Ausstattung des Gedenkbuches zu überwachen, in zweifelhaften Fällen die Eintragung zu bestimmen oder Ergänzungen der Eintragung in sachlicher Beziehung anzuordnen. Über die eventuellen Einwendungen des Chronisten gegen die Weisungen des Ausschusses entscheidet endgültig die Gemeindevertretung. Am Schlusse eines jeden Jahres erstattet der Ausschuss der Gemeindevertretung einen Bericht über die Führung des Gemeindegedenkbuches. Findet der Ausschuss, dass der Chronist seinen Verpflichtungen trotz vorheriger Ermahnung seitens des Ausschusses nicht nachkommt, so ist die Gemeindevertretung verpflichtet, den Chronisten von seiner Aufgabe zu entheben und einen neuen zu bestellen. Das recht der Einsichtsnahme in das Gedenkbuch steht nur den Mitgliedern des Ortgeschichtsausschusses zu. Anderen Personen bewilligt die Einsichtnahme der Gemeinderat nach vorheriger Anhörung des Chronisten. Zu Studienzwecken wird die Einsichtsnahme von der vorgesetzten politischen Behörde bewilligt, falls der Gemeinderat die Bewilligung verweigert. In beiden Fällen hat die Einsichtsnahme unter Aufsicht des Chronisten zu erfolgen, der hierüber einen besonderen Vermerk führt.

Wenigstens jedes dritte Jahr ist das Gemeindegedenkbuch der Öffentlichkeit in einem Amtsraume durch 14 Tage allgemein ununterbrochen zugänglich zu machen, was öffentlich kundzumachen ist. Binnen 8 Tagen nach Ablauf der vor bezeichneten Frist kann jeder Bürger einen sachliche Ergänzung für das Gemeindegedenkbuch beantragen, worüber die Gemeindevertretung endgültig zu entscheiden hat.

Die Aufsicht über die Durchführung des gesetztes steht der vorgesetzten politischen Behörde zu. Der Landesverwaltungsausschuss macht auf das obzitierte Gesetz und die zu diesem Gesetze erlassene Durchführungsverordnung vom 9. Juli 1921, Nr. 211, S.d.G.u.Vdg. aufmerksam und ersucht die Bezirksverwaltungskommissionen, die Gemeinden ihrer Amtssprengel zu belehren.

Vorsitzender:
Beisitzer:
J. Nerod m.p. Richard Ackermann m.p.

Quelle: Das Gesetz ist im Gemeindegedenkbuch von Dittersbach bei Zwittau abgedruckt, welches von einem Ausschuß – der am 24.03.1924 von der Gemeindevertretung gewählt wurde – verfasst wurde.

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