1. Hussitenkrieg
Während der Herrschaft Wenzels IV. (1378-1419) in Böhmen machte sich zunehmend Unzufriedenheit über die soziale, politische und religiöse Lage breit; in dem sich zuspitzenden Konflikt fiel dem um 1370 im südböhmischen Husinec geborenen Magister Jan eine führende Rolle zu. Als Vertreter des Reformanliegens und als Märtyrer gab er einer Bewegung seinen Namen, die die Geschichte Böhmens im 15. Jahrhundert entscheidend prägte. Beeinflusst von den Schriften des englischen Reformators John Wycliffe trat Hus als Universitätslehrer und Initiator der tschechischen Volkspredigt in der Prager Bethlehemskapelle für eine grundlegende Kirchenreform ein. Gemeinsames religiöses Symbol war der 'Laienkelch als Zeichen eines bibelgemäßen Verständnisses der Eucharistie.

Bereits im Sommer 1409 musste Jan Hus sich vor der 'Inquisition verantworten, wurde 1410 mit dem Kirchenbann belegt und 1412 aus Prag ausgewiesen. Da Hus überzeugt war, die Rechtmäßigkeit seiner Lehrsätze beweisen und einen bedeutenden Anstoß zur Kirchenreform geben zu können, erklärte er sich nach Zusicherung freien Geleits bereit, vor dem Konzil in Konstanz zu erscheinen. Dort im November 1414 in Haft genommen, wurde ihm erst im Juni des folgenden Jahres die Gelegenheit geboten, seine Lehre zu verteidigen. Da er einen Widerruf, die Abschwörung seiner angeblichen Irrtümer, ablehnte, endete er am 6. Juli 1415 auf dem Scheiterhaufen. Sein Märtyrertod löste in Böhmen schwere Unruhen aus, die der nachgiebige König Wenzel IV. duldete, und gab den Forderungen, künftig das Abendmahl in beiderlei Gestalt ("sub utraque specie") zu reichen, sowie nach freier Predigt, einer Überprüfung des Kirchengutes und der Missachtung ungerechtfertigter kirchlicher Bannsprüche neuen Auftrieb. In einer zwischen Gemäßigten (Kalixtiner bzw. Utraquisten) und Radikalen (Taboriten) heftig geführten Diskussion kristallisierten sich schließlich als gemeinsamer Nenner vier Punkte heraus: Kelchkommunion der Laien, Predigtfreiheit, Armut der Priester und Bestrafung der Unmoral (Prager Artikel, April 1420).

Nach dem (ersten) Prager Fenstersturz (30. Juli 1419) und dem Tod Wenzels IV. eskalierte der Konflikt. Die Hussiten verweigerten seinem Bruder Sigismund die Anerkennung als neuem König von Böhmen, weil er, als Römischer König, Jan Hus trotz erteilten Geleitbriefes hatte hinrichten lassen. Sigismund berief daraufhin 1420 einen Reichstag nach Breslau ein — es war der erste östlich der Elbe abgehaltene Reichstag —und beschloß Maßnahmen gegen die aufständischen Hussiten. Achtzehn schlesische Fürsten huldigten dem König und versprachen Hilfe gegen die Feinde Sigismunds. 1421 fiel ein schlesisches Heer in Böhmen ein. Die Hussiten brachten jedoch den Anhängern des Königs Niederlagen bei und boten die Krone Böhmens zunächst dem polnischen König Wladislaus II. und dann — als dieser ablehnte — Witold von Litauen an. Dieser war grundsätzlich bereit, das Angebot anzunehmen, und schickte seinen Neffen Sigmund Korybut nach Prag.

Auf der Seite der Taboriten wusste sich vor allem J. Ziska z Trocnova (gest. 1424) als Feldherr gegen die von König Sigismund schlecht geführten Kreuzfahrerheere zu behaupten. Die sich als Gottesstreiter empfindenden Hussiten errangen mit neuen Kampftechniken - Wagenburgen, gezieltem Einsatz von Geschützen und Handfeuerwaffen, hoher Marschgeschwindigkeit - erstaunliche Erfolge und verbreiteten auf ihren Zügen in ganz Mitteleuropa Angst und Schrecken. Nach der Schlacht bei Taus (1431) erkannte das Basler Konzil im Frühjahr 1433 in den "Prager Kompaktaten" die Forderungen der "Vier Prager Artikel" weitgehend an, die aber den Meinungsstreit unter den Hussiten vertieften. Die weiterhin kämpfenden Taboriten wurden 1434 bei Lipan von dem vereinten Heer der Utraquisten und kaiserlich-katholischen Truppen geschlagen. Es siegte der gemäßigte Flügel, der sich 1436 mit Sigismund als König von Böhmen abfand.

2. Hussitenkrieg, Bezeichnung für den 1468—71 geführten Krieg um die Wenzelskrone zwischen dem seit 1466 als Ketzer gebannten Böhmenkönig Georg vongeorg4 Podiebrad und Kunštát, dem ungarischen König Matthias I. Corvinus und Kaiser Friedrich III., den Georg zugunsten König Wladislaws aus der Dynastie der polnischen Jagellonen entscheiden konnte (1471).

Teile der taboritischen Tradition leben in den ‘Böhmischen Brüdern’ fort (Mährische Brüder). Diese aus den Hussiten im 15. Jahrhundert hervorgegangene religiöse Gemeinschaft in Böhmen suchte eine Erneuerung des Lebens im Geist des Urchristentums zu verwirklichen. Die Böhmischen Brüder trennten sich 1467 von der römischen Kirche. Nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) mussten sie ihre Heimat verlassen; auf vertriebene Böhmische Brüder geht die 'Brüdergemeine zurück. Heute bilden die Böhmischen Brüder in der Tschechischen Republik eine evangelische Minderheitskirche (2002: rund 140 000 Mitglieder).

Während König und Kirche in den Hussitenkriegen viel von ihrer Macht eingebüßt hatten, war der von der Säkularisierung begünstigte Herrenstand der eigentliche Sieger. Hauptsächlicher Verlierer aber waren die Städte, deren Wirtschaftskraft durch die Vertreibung der deutschen Bürger und den Niedergang von Handel und Handwerk schwer geschädigt wurde. Für die Entwicklung des tschechischen Volkes und seiner Staatsidee kommt dem Hussitismus ausschlaggebende Bedeutung zu.

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