Entschließung der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft zum Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union und zu der europäischen Rechts- und Wertegemeinschaft

Die Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft begrüßt grundsätzlich den Beitritt der ostmitteleuropäischen Nachbarn, insbesondere der Tschechischen Republik und der Slowakei, zur Europäischen Union. Sie betrachtet diesen Akt als bedeutenden Schritt zur Wiederherstellung der historisch-politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Einheit Europas.
Sie kritisiert jedoch mit großem Nachdruck, dass die europäischen Institutionen von diesen Staaten nicht die vollständige Beachtung und Erfüllung der Kopenhagener Kriterien für die Erweiterung der Europäischen Union, aller Normen des international geachteten Völkerrechts sowie aller Menschen- und Bürgerrechte als Beitrittsvoraussetzung eingefordert haben.
Bezüglich der Tschechischen Republik betrifft dies insbesondere die unveränderte Fortgeltung der gegen die - innerhalb und außerhalb der heutigen Tschechischen Republik lebenden - Sudetendeutschen und Ungarn gerichteten Dekrete der Jahre 1945/46 des damaligen Präsidenten Edvard Beneš einschließlich des vom Europäischen Parlament verurteilten Straftatenrechtfertigungsgesetzes vom 8. Mai 1946. Dieses Gesetz wird ebenso wie alle Beneš-Dekrete, die die brutale Entrechtung, Enteignung und widerrechtliche Vertreibung beinhalten und insgesamt den Tatbestand des Völkermords („Genozid") erfüllen, in der Tschechischen Republik als verfassungsrechtliche Grundlage des Staatswesens betrachtet, auf deren Basis das nationale Verfassungsgericht ständig Urteile - z. B. in aktuellen Restitutionsverfahren - fällt.
Die Bundesversammlung fordert daher weiterhin die deutschen und österreichischen Parteien, die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland - insbesondere des Freistaats Bayern - und der Republik Österreich sowie alle europäischen Institutionen dazu auf, die Abschaffung der Völker- und menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete, die sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen aus der ehemaligen Tschechoslowakei beziehen, durch die Staatsorgane der Tschechischen Republik anzumahnen. Dem entsprechend wird die tschechische Justiz aufgefordert, endlich die Straftäter im Zusammenhang mit der Vertreibung der Sudetendeutschen zur Verantwortung zu ziehen
Die Bundesversammlung verurteilt mit Nachdruck die einstimmige Entschließung des tschechischen Parlaments vom 24. April 2002, nach der die rechtlichen und Eigentumsverhältnisse, die aus den Beneš-Dekreten hervorgegangen sind, „unbestreitbar, unantastbar und unverletzbar" sind, sowie den jüngsten Beschluss des tschechischen Parlaments vom 25. Februar 2004 zur Ehrung des Präsidenten Edvard Beneš, mit dem die millionenfachen Opfer der Vertreibung der Sudetendeutschen wie der nachfolgenden kommunistischen Unterdrückung von Tschechen und Slowaken verhöhnt werden. Beide Beschlüsse werden als hinderlich für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der erweiterten Europäischen Union betrachtet.
Die Bundesversammlung sieht dem gegenüber in der Erklärung der Regierung der Tschechischen Republik vom 19. Juni 2003, in der die „Ereignisse und Taten" nach dem Zweiten Weltkrieg als „aus heutiger Sicht nicht hinnehmbar" bezeichnet werden, einen ersten Schritt zu einer Entspannung der deutsch/sudetendeutsch-tschechischen Problemlage, betrachtet ihn jedoch nach wie vor als unzureichend. Sie verweist demgegenüber darauf, dass die Vertreibung, Enteignung und alle damit verbundenen Massaker, Verfolgungen und Diskriminierungen schon in den Jahren 1945/46 nach innerstaatlichem tschechischen Recht ebenso wie nach internationalem Recht ein Verstoß gegen die Menschenrechte waren. Dieses fortgeltende Unrecht steht nach wie vor zwischen den Tschechen und den Sudetendeutschen. Es muss friedlich in europäischer Gesinnung zum Wohl aller Betroffenen geheilt und wieder gutgemacht werden.
Die Bundesversammlung fordert daher erneut einen unmittelbaren Dialog zwischen der Regierung der Tschechischen Republik und den gewählten Repräsentanten der Sudetendeutschen - gegebenenfalls unter Beteiligung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland, in deren Obhut die Sudetendeutschen seit mehr als 50 Jahren stehen, und des Freistaats Bayern, der vor genau 50 Jahren die Schirmherrschaft über die sudetendeutsche Volksgruppe übernommen hat - zur Klärung der offenen Fragen. Sie ist davon überzeugt, dass die gemeinsame Mitgliedschaft in der Europäischen Union diesen Dialog, die gegenseitige Annäherung der Standpunkte und die Lösung der vorhandenen Probleme erleichtern kann.
Einstimmig beschlossen am 29. 02. 2004

 

Zur Startseite

 

Counter