3. Der Namen „Schönhengst“
Edmund
Sandbach erklärt den Namen Schönhengst in seinem Buch:
„Die Schönhengster Ortsnamen”, Lautlehre,
Wortbildungslehre und Etymologie (1922)
„Schönhengst
iB. č. Šenhengst dial. Šïnhenst.
Gegründet 1620 (Sommer B.V
S. 188).
Es ist dies ursprünglich die Bezeichnung für jene bewaldete
Gebirgskette des böhm.-mähr. Höhenzuges, die in ununterbrochener,
fast gerader Richtung westlich von Mähr.-Trübau von Norden nach
Süden zieht. Diese Gebirgskette hat einigen wenigen Häusern
den Namen geliehen, die an jener waldbeschatteten Stelle sich erheben,
wo die Verbindungsstraße M.-Trübau — Zwittau den Gebirgskamm
überwindet, und insofern ist auch hier der Ort, einige Worte diesem
Namen zu widmen.
| Im großen und ganzen
lassen sich alle Erklärungsversuche in zwei Gruppen scheiden. Die
eine will -hengst als ‘Gehänge’ erklären,
wobei grammatischerseits das -st seinen störenden Einfluß
geltend macht, d.h. sie will in Schönhengst ein Nominalkompositum
(Adj.+ Subst.) sehen, was sich im Hinblick auf die ältere Form Sintenhengst
1398 (LO. VI 740) als reine Unmöglichkeit herausstellt; die andere
sieht darin ein Imperativkompositum (…-Typus), indem sie durchaus
berechtigterweise auf eine ganze Schar derartiger Bildungen besonders
bei Schönhengster Personennamen verweisen kann (vgl. Dr. Moriz Grolig,
Personennamen im Schönhengstgau. In CzM. Jg. 1907, S. 53 f.).
Der zweite Komponent -hengst ist im Laufe der Entwicklung
äußerst konservativ gewesen, er bewahrt ja in allen uns aus den verschiedensten
Zeitperioden erhaltenen Formen seine einheitliche Lautgestalt (č.
-henšt, -hinšt, -hinšt); nicht so der erste, der alle möglichen,
nur halbwegs denkbaren Wandlungen durchgemacht hat. So treten Formen auf
wie Schindhengst, Schinhengst, Scheidhengst
und Schadhengst, č. Šadhengst, Šahinšt,
Šadhinšt, Šadhenšt und Šadhyngst.
Daß sieh in diesen verschiedenartigen Namensformen eine Unsicherheit in
der Bedeutung widerspiegelt, kann jedenfalls als eine durch nichts hinwegzuleugnende
Tatsache hingestellt werden.
Man ist nun an Sintenhengst herangetreten und hat
es erklärt als ‘schint-den-hengst’, wobei unter ‘schinden’
das mhd. schinden, von Haus aus schwach biegend, vgl. ahd. ‘scintan
Prät. scinta Pt. giscintit’, dann aber auch in
die starke Konjugation übergehend ‘Prät. schant Pl. schunden
Pt. geschunden’ in der Bedeutung ‘enthäuten, hart
mißhandeln’ zu verstehen sei. An und für sich wäre diese Darstellung
ganz und gar plausibel. Der Stein des Anstoßes meldet sich erst bei Schadhengst
und Schandhengst. Das Prät. schant schien nämlich eine
gute und glückliche Basis abgeben zu können, letztere Form als ein Kompositum
zu erklären, bestehend aus Prät. + Subst., ohne merkwürdigerweise dabei
zu berücksichtigen, daß Schadhengst, das andere der beiden Übel,
doch nicht aus der Welt geschafft wurde und noch manchen Arger verursachen
konnte. Nicht unerwähnt darf überdies bleiben, daß ein Kompositum Prät.
+ Subst. dem nüchternen Auge grammatisch recht gewagt und unzuverlässig
erscheinen muß, da derartige Bildungen wohl in sehr geringer Anzahl ins
Dasein der Sprache eingetreten sind; es wäre aber auch in zweiter Linie
ein seltener Fall, daß nämlich gleichzeitig neben einem Imperativkompositum
als parallele Bildung ein Kompositum Prät. + Subst. das Licht Welt
erblickt haben sollte, selbst dann, wenn der üppig wuchernde Einfluß
der Volksetymologie seine Hand im Spiele hätte.
Nach allen in jeder Hinsicht durchdachten Möglichkeiten
wird es einen immer eigentümlich anmuten, daß ein Verbum, das
sich seit der ältesten Zeit bis auf unsere Tage vollwertig fortgepflanzt
hat und gegenwärtig sowohl in der Schriftsprache als auch in den
Dialekten sein. Dasein mühelos behauptet, solche Ummodelungen und
Verballhornungen überhaupt hätte erfahren können. Bei einem
allseits gebrauchten und allgemein verständlichen Wort können
ähnliche Mißbildungen wohl nicht aufkommen.
Grimm führt Bd. IX Sp. 200 Lein ausgestorbenes
Verbum ahd. scuntan soundan in der Bedeutung ‘incitare,
allicere, sollicitare, suggerere, pellere, cogere, iubere’ mhd.
schünden schunden schunten ‘antreiben, reizen’
an. Dahin werden Orts- und Flußnamen gestellt wie Scuntra
jetzt Schondra, ein Nebenfluß der Saale, und Schunter,
ein Nebenfluß der Oker (vgl. auch Förstemann Ortsn. S. 239f.).
Hierher möchte ich sehr gerne den Namen eines westlich von Uttigsdorf
auf Lichtensteinschem Territorium gelegenen, ansteigenden Hohlweges stellen
dial. šindo nhd. Schinder, dessen Bedeutung ‘Antreiber’
wäre (vgl. Dr. M. Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch.
II.Bd. Leipzig 1876. Sp.817: mhd. schündaere schüntaere
‘Antreiber, Reizer’). Schließlich kann ich nicht unterlassen,
auf eine eigentümliche und recht auffallende Notiz bei Wolny MM.VS.785
Schönhengstberg (einst ‘Schinderhengst’)
aufmerksam zu machen. Das ins Gewicht Fallende bei dem angeführten
Verbum ist der Umstand, daß es in der lebenden Sprache zu existieren
aufgehört hat, so daß man natürlicherweise die von diesem
Stamme gebildeten Eigennamen nach ihrer Bedeutung nicht mehr recht verstand
und sich notgedrungen nach Abhilfe umsehen mußte, die man schließlich
bei ‘schinden, Schade und Schande’ zu finden hoffte und auch
wirklich fand. Die Brücke zur Bedeutung dieser Begriffe läßt
sich ja leicht schlagen. Wo man aber zu dieser Aushilfe seine Zuflucht
nicht nahm, dort blieb šint- dem freien Spiel der Lautgesetze überantwortet
und nur so erklärt sich der Ausfall des n, die Ersatzdehnung
und Diphthongierung des i in ‘Scheidhengst’,
anderseits wieder Ausfall des t und Nasalierung des gelängten
i nach Schwund des folgenden n, so daß es dieselbe
Form zur Schau trug wie das dial. Adj. šin ‘schön’.
Auf dem einmal betretenen Wege wurde nicht Halt gemacht, sondern der gewaltig
thronende, mit herrlichem Walde geschmückte Höhenzug erhielt
in der Schriftsprache den Namen Schönhengst.“
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