2. Schönhengster Brauchtum aus alter Zeit Es
folgt nun eine aus heutiger Sicht amüsante Beschreibung der Schönhengstler. Vorbemerkung
Die Schönhängstler sind größtenteils Deutsche. Sie
wohnen in der Umgebung des berühmten und merkwürdigen Waldgebirges
und Passes Schönhängst, von dem sie den Namen haben: nämlich
an der böhmisch-mährischen Gränze in der Gegend der Städte
Trübau, Zwittau, bis gegen Landskron, LeutomischI und Hohenstadt.
Bisher ist über dieses merkwürdige Volk noch nichts gedruckt
worden. Die Race; Lebensart, Sitten, Religion
Stark und groß ist meistentheils beim männlichen Geschlechte
der Körperbau, bei dem weiblichen mittelmäßig. Auffallend
ist eine gewisse Aehnlichkeit der Gesichtsbildung beim weiblichen Geschlechte
fast durchaus und interessant für den Anthropologen fast allgemein
sind: eine hohe platte Stirne, blaue Augen, stark aufgeworfene Lippen,
dicke rote Backen, die sich mit einem spitzigen Kinn endigen. Bei den
Männern läßt sich diese Aehnlichkeit außer der blauen
Augen weniger wahrnehmen. Unverkennbar ist aber an beiden Geschlechtern
eine vollkommene blühende Gesundheit. Nahrung
So einfach ihre Kleidung ist, so ist auch ihre Nahrung einfach. Brod,
Erdäpfel, Sauerkraut, Milch ist ihre tägliche Kost. An Sonntägen
ist Hirsebrei, in Milch gekocht und mit Lebkuchen bestreut, eines ihrer
vorzüglichsten und beliebtesten Gerichte. Nur an hohen Festtagen
wird in den meisten Häusern Fleisch genossen. Wohnung Aber desto mehr verwenden sie auf ihre Wohnungen. Diese tragen hier einen gefälligen Charakter. Sie sind fast durchaus im Viereck gebaut, geräumig für Menschen und Vieh -ziemlich zweckmäßig und bequem -und im Durchschnitte auch reinlich. Sehr oft werden sie das Jahr hiedurch ausgeweißet. - Ihren größten Stolz setzen sie auf schöne Pferde und Wägen und hierin treibt sie ihr Wetteifer oft bis zur Eitelkeit. Religion Diese ist
durchaus katholisch. Man hängt hier sehr an dem Äußerlichen
der Religion; d. h. er liebt Wahlfahrten, feierliche Prozessionen und
alle Religionsgebräuche, die mit Pomp und Prunk gefeiert werden.
Die Schale gilt ihnen mehr als der Kern. Einreißendes Sittenverderbnis Das allgemein einreißende Sittenverderbnis hat auch hier Eingang gefunden. Z. B.: Wenn ehemals ein lediges Mädchen Mutter wurde, so war das Aufsehen groß, weil dieser Fall beinahe unerhört war; und von ehelicher Untreue war kaum etwas zu hören! Und jetzt! Es ist nicht mehr auffallend, daß in einer mittelmäßigen Pfarre im Durchschnitt jährlich 14 uneheliche Kinder in der Kirchenmatrik verzeichnet. werden. Besondere Gebräuche Das Faschingsrößl
Zur Faschingszeit zechen junge Bursche Wochenlang auf Rechnung der Rößelseinnahme.
Es wird nämlich ein Rößle d. i. ein kleines Puppenpferd,
dem der Reuter seine Füße leiht, mit dem ganzen Reutzeug ausgerüstet.
Damit ziehen die ledigen Mannspersonen unter großem Zusammenlaufe
von Groß und Klein, besonders der Jugend, durchs Dorf und besuchen
damit die Häuser der Bauern und der wohlhabenden Einwohner. Die Rößeleinnahme
Im Freyen und beim Eintritt in den Stuben macht das übermüthige
schön geputzte Pferd seine Saltu mortale, oder Luftsprung. Nachdem
es sich nun zur Unterhaltung der Hausfamilie eine Zeitlang herum getummelt
hat, so bitten die Begleiter um einen Beytrag zum Hufbeschlag. —
Ein Groschen, der in die Büchse gelegt wird, und zwey Kuchen, die
dem Reuter übergeben werden, welche beide Stücke schon auf dem
Tische in Bereitschaft liegen, sind ein gleichsam schon ausgemachtes Geschenk. Die Mädchen kommen ungerufen ins Wirtshaus
Aber weit reichlicher wird die lustige Gesellschaft von den mannbaren
Töchtern des Hausvaters und den Dienstmägden in der Absicht
beschenkt, damit sie im Gasthofe oder Wirtshause Tänzer bekommen
mögen. (Auch hier, so wie fast überall am Lande findet sich
bei weitem eine überzählige Schaar der reifen weiblichen Jugend
auf dem Tanzboden bei der Musik ungerufen und ungebethen zahlreich ein.)
Am Aschermittwochstage wird einer der Bauernjungen als Bär angezogen
und an der Kette von Haus zu Haus herumgeführt. In den Stuben der
Einwohner wird er zum Tanze gezwungen fast auf die nämliche Art wie
ehemals die herumziehenden Polen mit ihren Tanzbären. Die Begleiter
bekommen ebenfalls Geld, Eyer, auch wol hie und da Getreide. Eine artige Ostersitte
Zu Ostern bringt der Geliebte seiner Schönen ein Geschenk mit einer
Flasche Rosoglio, der sehr süß sein muß, und eben deswegen
stark mit Honig gemischt wird. Das Gegengeschenk der Auserwählten
ist ein - schönes Tüchel. Der
Jubel des Aerntefestes Zur Aerndtezeit werden die Schnitter in großen Haushaltungen nach vollbrachter Arbeit mit Musik vom Felde abgeholt und dann mit einer Mahlzeit von fünf Gerichten bewirtet. (Auch sonst, so lange die Aerntearbeit dauert, prangen 5 Gerichte auf dem Tische der Arbeiter.) Singend und jauchzend zieht die Jugend beiderley Geschlechtes am Abend des Aerntefestes in großen Haufen durchs Dorf. Die Mädchen, welche vorangehen, singen in einem sehr hohen Tone, und die Burschen beschließen jeden Absatz des Liedes mit langem Jauchzen. Das
Brodabschneiden
Die weit verbreitete Sitte, welche auch im Gesenke durchaus herrscht,
daß man Jeden, der auf Besuch ins Haus kommt, Brod vorlegt, oder
wie man zu sagen pflegt, Brod nehmen läßt, waltet noch heilig
hier. Ist es nur ein gemeiner und nicht befreundeter Mensch, so reicht
man ihm das Brod, wie es bereits abgeschnitten ist, mit der Bemerkung:
„Er möcht von einem kleinen Stücke ein großes abschneiden!“
Ist es aber Jemand aus der Freundschaft, oder ein ansehnlicher Gast, den
man auszeichnen will, so bringt man einen ganzen Laib, schneidet ihn vor
seinen Augen an, legt das Messer darauf und reicht es ihm unter beständigen
Zudringlichkeiten, daß er sich ein großes Stück davon
abschneiden solle: ungeachtet es für eine große Unart gelten
würde, wenn sich der Gast mehr als einen Bissen nähme. Diese
Ehrenbezeugung darf nicht außer Acht gelassen oder vergessen werden,
sonst würde es für ein Zeichen der Unhöflichkeit, Geringschätzung
oder wohl gar der Feindschaft angesehen werden. * Der Brauch des Aschermittwoch-Bärs, ein sicherlich lärmvolles Spiel in ernster Zeit, darf uns nicht verwundern. Später fand das „Bärentreiben“ im Schönhengstgau am Dienstag der Fasenacht, „uf dr letztn Fosnd“ statt. Aber solche zeitliche Abweichungen und Verschiebungen waren im alten Brauchtum gang und gäbe.
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